"Preßluftschalter" – AEG-Entwicklung in Berlin – Fertigung in Kassel
Der in Kassel kurz nach Produktionsaufnahme hergestellte, aber noch in Berlin entwickelte Druckgas-Leistungsschalter CP 2/3 für 10 kV
Die bei den Ölschaltern beschriebenen Störungen führten bei der AEG in Berlin zur Entwicklung der zunächst als "Preßluftschalter" beschriebenen Mittelspannungs-Schaltgeräte, welche in einer von vielen Vertretern deutscher Energieversorgungsunternehmen besuchten Veranstaltung am 26. Juni 1929 im dortigen Hochleistungsprüffeld vorgestellt wurden. Im Unterschied zum Ölschalter mit Löschkammer und ölarmen Strömungsschalter, die sich ihre Blaswirkung zur Löschung des Lichtbogens mit Löschkammern selbst schaffen, erfolgte bei den "Preßluftschaltern" dies durch Fremdbeblasung mit Druckluft, welche auch für den Antrieb des Schalters verwendet wurde.
Durch diese Kopplung wurde sichergestellt, dass der Schalter nur ausgeschaltet werden konnte, wenn auch eine ausreichende Druckluftmenge für die Lichtbogenlöschung aus dem unmittelbar am Schalter angebrachten Druckluftbehälter zur Verfügung stand. Bei jeder Schaltung wurde stets neues Löschmittel als komprimierte Luft zugeführt und durch selbsttätige Kontrolleinrichtungen überwacht. Es erfolgte insoweit ein Entfall der regelmäßigen Kontrolle des Löschmittelstandes bei den Ölschaltern und ölarmen Schaltern. Mit den Druckgasschaltern gehörten die hohe Brandlast, die Möglichkeit einer Schalterexplosion sowie die Alterung des Isolier- und Löschmittels der Ölschalter der Vergangenheit an.
Beim Einschalten bewegt ein Antriebskolben (im hinteren Teil des Gestells, nicht sichtbar im Bild) über die Schaltwelle und den isolierenden Schalthebel die in Geradführung laufenden Schaltstifte nach oben. Der vor der Kontaktberührung entstehende Lichtbogen brennt zwischen der Wolframspitze des Schaltstiftes und dem Abbrennring des Schaltkontaktes, also an Stellen, die nicht der normalen Stromübertragung dienen. Da der Einschaltlichtbogen infolge der hohen Schaltgeschwindigkeit nur wenige Millisekunden dauert ist eine Beblasung nicht erforderlich.
Bei der Ausschaltung bewegt sich der Antriebskolben bewegt sich nach unten und stößt über ein Kniehebelsystem kurz nach Beginn der Schaltstiftbewegung das Blasluftventil auf. Die Druckluft strömt dann durch Isolierrohre zu den Polsäulen und steht in den düsenartig profilierten Kammern bereits an, wenn die Kontakttrennung erfolgt. Der Schaltlichtbogen wird daher sofort nach der Kontakttrennung beblasen (Bild rechts), sodass er schon beim folgenden Stromnulldurchgang gelöscht werden kann. Die heißen Schaltgase entweichen nach oben in den Schalldämpfer und durch Kühlbleche hindurch ins Freie.
Nach den uns vorliegenden Unterlagen wurden mit diesem Prinzip bei einer Betriebsspannung von 10 kV erstaunliche Bemessungs-Ausschaltleistungen bis 800 MVA erreicht, was einem Kurzschlussstrom von 46 kA entspricht. Um diesen hohen Strom zu erreichen, könnte ein Transformator mit einer Übersetzung von 110 / 10 kV und einer Kurzschlussspannung von 13 % ohne Berücksichtigung des vorgeschalteten Netzes eine Bemessungsleistung von 60 MVA haben und würde bei einem sekundärseitigen Kurzschluss, z. B. in der 10-kV-Schaltanlage sicher frei geschaltet.
Text u. Bild: Wolfgang Dünkel, TMK
Quellen: auszugsweise Wiedergabe aus den Vereinszeitschriften 1- u. 2-2018 "technik nordhessen" der techn.-wissenschaftl. Vereine (u. a. VDE Kassel und TMK, gleicher Mitverfasser), AEG Sonderdruck zur Vorstellung "Preßluftschalter" (Berlin, 1929), AEG Mitteilungen, 47. Jahrgang, Hochspannungs-Schaltgeräte (Berlin, 7/8-1957), AEG Mitteilungen, 51. Jahrgang, Hochspannungs-Schaltgeräte u. Anlagen (Berlin, 9/10-1961), AEG Mitteilungen, 57. Jahrgang, 40 Jahre Druckgasschaltertechnik (Berlin, 7-1967)
(last update 07.03.2021)