Mess- und Regeltechnik bei Withof-Philips-PMA

Mitten in der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 erwarben die Gesellschafter Georg C. K. Withof und Arthur Metzke die Firma August Füllgrabe & Co. und etablierte das Unternehmen zur Herstellung und dem Vertrieb technischer Artikel mit ca. 20 Mitarbeitern in Kassel-Niederzwehren. Im Jahr 1935 trennten sich die beiden Gesellschafter. Georg C. K. Withof führte die Firma unter dem bisherigen Namen als Alleingesellschafter weiter mit ca. 15 Beschäftigten. Das Fertigungsprogramm bestand im Wesentlichen aus elektrotechnischen Artikeln wie Relais, Schiebewiderständen usw.
Georg C. K. Withof erkannte sehr früh die steigende Bedeutung der Messtechnik für die weitere industrielle Entwicklung. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen unterbrachen jedoch die Fortentwicklung in diese Richtung. Das Unternehmen stellte im Auftrag der staatlichen Wirtschaftsverwaltung Messgeräte in hohen Stückzahlen her. 1942 erfolgte die Umbenennung der Gesellschaft in Georg C. K. Withof GmbH, Fabrik für Elektrotechnik und Feinmechanik. Mit dem Kriegsende und der Zerstörung fast aller Maschinen begann der Wiederaufbau, zum Teil im Privathaus der Familie Withof, zum anderen in der Gaststätte Dippel im Kasseler Vorort Harleshausen.

Das wertvolle und streng gehütete Materiallager und div. Muster- und Eichinstrumente für die Entwicklung und Produktion stellten zu diesem Zeitpunkt einen unschätzbaren Wert dar. Sie waren die eigentliche Basis für den Wiederaufbau einer Produktion für Messinstrumente elektrischer Größen. Die Produktion wuchs und wurde im Jahre 1951 auf die Hasenhecke verlagert. Die Firmierung wurde durch den Zusatz "Betriebskontrollgeräte nach dem Baukastenprinzip" ergänzt. Hiermit wurde dokumentiert, dass die Withof GmbH zu diesem Zeitpunkt zumindest in der jungen Bundesrepublik Deutschland auf dem Arbeitsgebiet der Betriebskontrolle die erste war, die das Baukastensystem verwirklicht hatte.
Mit der Zielsetzung, Betriebskontrollanlagen weitgehend mit Geräten aus dem Withof-Programm ausrüsten zu können, begann – begünstigt durch die industrielle Bereitstellung völlig neuer Bauelemente – die Umstellung von der Mechanik auf die Elektronik. Das umfangreiche Produktionsprogramm reichte von Geräten zur Messwerterfassung über Anzeiger, Schreiber, Fallbügelreglern Typ GETROSIST mit Galvanometer-Spulen-Zeiger und mechanischer, später optischer Abtastung bis hin zu Stellgliedern.
Recht bald zwangen angesichts der ständig steigenden Produktionszahlen und der Mitarbeiter die räumlichen Verhältnisse zum Handeln. Die Entscheidung fiel zugunsten des neu erschlossenen Industriegebietes in Kassel-Bettenhausen an der Miramstraße. Die Bauarbeiten konnten im Spätherbst 1961 beendet werden. Der geplante Durchbruch zu einem modernen Industrieunternehmen der Mess- und Regeltechnik stand aber noch aus. Seit Anfang 1960 liefen daher verstärkt Einstellungsgespräche. Viele Mitarbeiter, die im Rahmen dieser großen Umstellungsphase 1960 bis 1962 eingestellt wurden, hatten durch ihre konstruktive Mitarbeit wesentlichen Anteil am Aufbau des Unternehmens.
Der Seniorchef – bisher alleiniger Geschäftsführer – leitete die Umbildung der Unternehmensleitung in 1961 ein mit der Berufung seiner beiden Söhne. Georg C. K. Withof jr. und Dipl.-Ing. Hans Peter Withof traten als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer in die Unternehmensleitung ein. Hans Peter Withof war mit Abschluss seines Studiums schon seit 1953 engagiertes Mitglied des VDE Bezirksvereins Kassel.
 
Die erheblichen Kosten für Grundstück, Bauvorhaben, Folgekosten durch Rationalisierungs- und Modernisierungsmaßnahmen und dringend erforderliche Ausgaben für Neuentwicklungen veranlassten die Unternehmensleitung, sich nach einem finanzstarken Partner umzusehen. Diesen fand man in der Fa. Philips aus Eindhoven und deren deutscher Tochtergesellschaft.
Mit dem Beginn des Geschäftsjahres 1964/65 konnte unter der neuen Firmierung "WITHOF – Bausteine der Automation" die schon bisher erfreuliche Entwicklung fortgesetzt werden. Die stürmische Entwicklung auf dem Kunststoffmarkt brachte immer mehr Kunststoffe heraus. Diese stellten steigende Anforderungen an die Konstanz der Verarbeitungstemperatur. Withof – seit über einem Jahrzehnt Ausrüster vieler Kunststoff-Verarbeitungsmaschinen mit Temperaturreglern u. a. des Typs GETROSIST – hatte sich mit seinem Geräteprogramm den neuen Anforderungen angepasst und erbrachte Pionierleistungen auf dem Gebiet der Regelungs- und Automatisierungstechnik.
Bevor es an Kunststoffspritzmaschinen eine Temperaturregelung gab, wurde die Heizleistung manuell angepasst. Es erfolgte also eine manuelle Temperatursteuerung durch das Bedienungspersonal. Aufgrund der Unzulänglichkeit dieser Methode, die bei zu hohen Temperaturen das Material verbrennen ließ, wurden zunächst unterschiedlichste Temperatur-Überwachungsregler eingesetzt. Diese schalteten bei erreichter Soll-Temperatur die Heizleistung ab und ermöglichten abhängig von der Belastung der Maschine nur eine manuelle Korrektur.
Im Jahr 1965 gelang Withof der Durchbruch zum Marktführer auf dem Gebiet der Temperaturregelung an Kunststoffverarbeitungsmaschinen mit der Markteinführung des elektronischen Zweipunktreglers PLASTOMATIC mit PD-Verhalten. Über Nacht wurden alle bekannten Maschinenhersteller per Telex angeschrieben und ein kostenloses Muster zur Verfügung gestellt. Die Marktführer dieser Branche rüsteten nach einer erforderlichen Umstellzeit ihre Maschinen mit dem PLASTOMATIC aus.
Die Auftragseingangszahlen der PLASTOMATIC-Familie stiegen in den Jahren 1969/70 rapide an. Bereits Anfang 1970 lief der 100.000. PLASTOMATIC im Rahmen einer kleinen Jubiläumsfeier im Beisein des damaligen Oberbürgermeisters der Stadt Kassel, Dr. Karl Branner, vom Band. Die PLASTOMATIC-Regler wurden ständig weiterentwickelt und konnten damit auch für höhere Temperaturbereiche im industriellen Bereich, z. B. für Öfen, eingesetzt werden. Es wurden mehr als eine Million dieser Geräte hergestellt.
Aber auch auf dem Gebiet der Industrieregler gelang dem Unternehmen ein wichtiger Einstieg mit dem WITRONIK-Regler. Dieser war als erster vollelektronisch arbeitender Industrieregler für Zweipunkt-, Dreipunkt- und Motorschrittregelung lieferbar. Mit dieser Entwicklung war Withof technisch den damaligen Marktbedürfnissen bereits weit vorausgeeilt. Nachfolger dieses Gerätes wurde ab 1971 der WITRONIC-I-Regler als stetiger P-, PI-, PD- oder PID-Regler mit einem Ausgangssignal von 0 – 20 mA. Insgesamt wurden mehr als 2,5 Millionen kompakte Regler hergestellt. Diese wurden zu etwa 80 % über deutsche Anlagenbauer in alle Welt geliefert.
Das Jahr 1974 wurde das entscheidende im Hinblick auf die Integration des Unternehmens in den Philips-Konzern. Für durchgreifende Änderungen sorgte das Ausscheiden des Vorsitzenden der Geschäftsleitung von Withof, Dipl.-Ing. Hans Peter Withof, zum 31. Dezember 1974. Die deutsche Tochtergesellschaft von Philips erwarb die restlichen Anteile des Unternehmens. Mit der entsprechenden Eintragung in das HandeIsregister war das Unternehmen Georg C. K. Withof GmbH handelsrechtlich erloschen. Es erfolgte eine generelle Neugliederung dieses wichtigen Bereichs unter der neuen Firmierung Philips GmbH Unternehmensbereich Elektronik für Wissenschaft und Industrie, kurz EWI genannt.
1978 führten weitere Struktur- und Personalveränderungen zur völligen Neuordnung des Unternehmensbereichs in Deutschland. Georg C. K. Withof jr., der bisherigen Leiter des Werkes für Prozesskontrolltechnik in Kassel, schied aus dem Unternehmen auf eigenen Wunsch aus.
 
Das Spektrum des Unternehmensbereichs EWI war klar abgegrenzt auf Prozessautomations-Geräte, Prozessautomations-Anlagen und Test- und Messtechnik. Bereits auf der Interkama 1968 war dem Unternehmen ein wesentlicher Einbruch in den Wettbewerb mit dem damaligen neuen Geräteprogramm gelungen. Nur das Angebot eines umfassenden Systems für alle Belange der Mess- und Regeltechnik konnte für das Unternehmen einen ähnlichen Erfolg bringen und den Einstieg in Branchen eröffnen, in denen man noch nicht so präsent war. Unter der Zielvorstellung Interkama 1977 wurde daher als neues Programm das PCS700-System kreiert. Dieses System war in sich abgestimmt. Es wurde unter Verwendung neuartiger, aber schon bewährter Bauelemente nach dem neuesten Stand der Technik in modularer Aufbauweise entwickelt und konstruiert. Es umfasste mehr als 30 Neuentwicklungen. Die Wirkung auf den Markt zeigte sich.
Anfang der 80-er Jahre wurden mit dem ersten Multiprozessorsystem PMC 1000 mit Farbbildschirm die ersten Spritzgießmaschinen für die Herstellung von Compact Discs (CD) ausgestattet. Wenn die Temperatur nur wenige Grad von der Solltemperatur abgewichen wäre, hätte die CD wegen Wölbung und Schlieren von den damaligen Lasern nicht gelesen werden können. Der Regler wurde als Druck- und Geschwindigkeitsregler sowie als Temperaturregler eingesetzt. Er sorgte somit für ein reproduzierbares Verhalten der Schmelze in der Spritzgießform. Die Taktzeiten für die Herstellung der CDs konnten verringert und somit die Stückzahlen je Maschine gesteigert werden.
Im Jahr 1992 begann Philips-intern eine Umstrukturierung des Unternehmensbereichs EWI. Diese führten zur Ausgliederung und Umbenennung des Kasseler Werkes in Philips Prozeß- und Maschinen-Automation GmbH. In 1995 wurde diese Gesellschaft an die holländische Neways Electronics BV veräußert. Neways hatte sich seit seiner Gründung in 1969 spezialisiert auf die Fertigung elektronischer Baugruppen und deren Zusammenbau zu Komplettgeräten nach Kundenwünschen. Es hatte aber keine eigene Entwicklung betrieben und gliederte daher den übernommenen ehemaligen Philips Unternehmensbereich auf in die Bereiche Produktmanagement, Entwicklung, Vertrieb und Service einerseits und Materialwirtschaft und Fertigung andererseits. Der erste Bereich führte zur heutigen PMA Prozess- und Maschinenautomation GmbH, der zweite zur heutigen NEK Neways Electronics Production GmbH.
PMA Prozess- und Maschinenautomation wurde 2001 an die Geveke Industrial Group veräußert und gehört seit 2005 gehört zu dem international operierenden Technologiekonzern Danaher Corporation, USA. Als Kernkompetenz entwickelt das Unternehmen Bausteine für die industrielle Regelungstechnik. Moderne Software-Tools und eine komplette Reglerpalette setzen wie in den 60- und 70-er Jahren Maßstäbe für Flexibilität in der Anwendung. Mit dieser Produktstrategie gehört das Unternehmen nach eigenen Angaben zu den Marktführern in Deutschland für digitale Temperaturregler. Doch Produkte sind wie seinerzeit von Georg C. K. Withof sen. angestrebt nur ein Teil von PMA. Seit vielen Jahren erarbeitet man im Systemgeschäft für die Kunden individuelle Lösungen. Kundenspezifische Reglerlösungen gehören ebenso zum Angebot wie Engineering-Unterstützung für spezielle Verfahren oder die komplette Automatisierung von Maschinen und Anlagen.

Quellen:  

  • eigene Unterlagen des VDE Bezirksvereins Kassel
  • Gespräche mit Herrn Georg Withof in 2006
  • Gespräche mit Herrn Günther Friedrich, ehemals Withof und Philips EWI, in 2006
  • Philips-Druckschrift "½ Jahrhundert MSR-Technik, Chronik der Firmen WITHOF/PHILIPS von 1929 bis 1982"
  • Gespräche mit Herrn Ulrich Marschall, ehemals Philips EWI, heute PMA
  • eigene Recherchen im Internet

Recherche und Text: Wolfgang Dünkel

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