Galileo-Trainer
Der Galileo-Trainer ist ein sogenanntes Vibrations-Trainingsgerät, das heute in vielen Fitness-Studios und Reha-Einrichtungen zu finden ist, doch was hat dieses Trainingsgerät mit der Forschung im Weltraum und dem All zu tun?
In der Schwerelosigkeit hat noch nicht einmal der eigene Körper ein „Gewicht“. Dadurch wird das muskuloskelettale System, das aus Knochen, Muskeln, Knorpel, Bandscheiben, Sehnen und Faszien besteht, extrem wenig belastet, da die Astronautinnen und Astronauten nur ganz wenig Kraft aufwenden müssen, um sich zu bewegen oder etwas anzuheben. Dies wirkt sich stark auf den menschlichen Körper aus: Es werden Kalksalze aus den Knochen abgebaut, es erfolgt ein Verlust an Muskelvolumen und Muskelkraft und die Ausdauermuskelfasern werden in Kraftmuskelfasern umgewandelt, um nur einige Veränderungen zu nennen. Wenn nichts dagegen unternommen wird, baut sich das System sehr schnell ab und WeltraumfahrerInnen und Fahrer können große Probleme bekommen, sobald sie wieder der Schwerkraft ausgesetzt sind. So beträgt der Verlust an Knochendichte im Weltall ca. 1-2 Prozent pro Monat, während es auf der Erde nur ca. 0,5-1 Prozent im Jahr sind. So kann sich die Knochendichte beispielsweise bei einem sechsmonatigen Aufenthalt in einer Raumstation um insgesamt 15-20 Prozent verringern. Die Skelettmuskulatur, die für die Bewegung des Körpers zuständig ist, besteht zu 80 % aus Muskelfasern. Im Groben wird zwischen den langsamen Muskelfasern, die stark ausgeprägt sind bei AusdauersportlerInnnen, und den schnellen Muskelfasern, besonders bei KraftsportlerInnen zu finden, unterschieden. Die Verteilung variiert zwischen den verschiedenen Muskeln im menschlichen Körper. Im Weltraum kommt es allerdings zu einem sogenannten Muskel-Shift, wenn sich die Muskelfasern von Typ 1 in Typ 2 umwandeln. Gleichzeitig nimmt der Durchmesser der Muskelfasern ab und das Verhältnis der kleinen Blutgefäße zum Muskelvolumen verändert sich. Der Verlust der Muskelmasse ist deutlich extremer als bei der Knochendichte: er liegt bei ca. 20 Prozent, wenn der Körper fünf bis elf Tage der Schwerelosigkeit ausgesetzt ist.
Dies wurde bereits bei den ersten Raumfahrten erkannt und ab 1973 setzte die NASA eine systematische Trainingsforschung im Raumschiff „Skylab“ ein, um diesem Schwund entgegenzuwirken und die muskuloskelettale Fitness zu erhalten. Im Jahr 2017 lag das tägliche Zeitfenster der ISS-Bewohnerinnen und Bewohner bei 2,5 Stunden. Davon waren 1,5 Stunden für das eigentliche Training eingeplant und eine Stunde diente ihnen zur Vorbereitung, für Hygienemaßnahmen sowie für den Abbau. Sie trainieren eine Kombination aus Kraft und Ausdauer. Doch wie kann dies funktionieren, wenn eine Hantel problemlos angehoben werden kann oder man nicht auf dem Boden laufen kann? Um den Schwund an Muskel- und Knochendichte effektiv entgegenzuwirken, wurde speziell das Trainingsgerät Galileo entwickelt. Bei dem sogenannten Vibrationstraining werden die Muskeln aktiviert, als ob sie sich anstrengen müssten. Dafür erzeugt die Plattform eine sehr schnelle seitenalternierende Vibration, ähnlich dem Wippen, wodurch Muskelreflexe ausgelöst werden. Dies funktioniert ganz ohne zusätzliche Gewichte und hat den Vorteil, dass das Gerät besonders nützlich bei begrenzten Platz- und Zeitkapazitäten ist. Denn die Astronautinnen und Astronauten haben im Weltraum einen strikten Zeitplan und ihre Hauptaufgabe, die Forschung, nimmt einen großen Anteil ihrer Zeit ein. Somit muss auch die Trainingszeit effektiv genutzt werden und kann mit dem Galileo-Vibrationsgerät deutlich verringert werden, denn die Muskelaktivität eines 10 km-Laufs wird in weniger als vier Minuten bei dessen Nutzung erreicht. Das Training dauert somit nur wenige Minuten, es sind aber intensive Effekte auf die Muskulatur und den Stoffwechsel möglich.
Die ESA und andere Raumfahrtagenturen setzen das System sowohl bei Trainings in Schwerelosigkeit ein, um die körperliche Degeneration zu verhindern, aber auch auf der Erde in Vorbereitung auf die Weltraummission, um die Muskeln der künftigen Weltraumfahrerinnen und Fahrer gezielt zu trainieren. Was Astronautinnen und Astronauten fit und gesund hält, kann aber auch im Alltag nützlich sein. Auf der Erde wird es besonders im sportlichen und medizinischen Bereich eingesetzt: so kann es Kindern mit der Glasknochenkrankheit dabei helfen, den Rollstuhl zu verlassen, kann die Knochendichte verbessern, Muskelatrophie (Muskelschwund) verhindern und allgemein die Kondition steigern, insbesondere bei Menschen, die aufgrund von Krankheit und Alter mobilitätseingeschränkt sind, oder im Reha-Sport.
Die Innovationen aus der Raumfahrt-Forschung wirken sich aber nicht nur im medizinischen Bereich auf alle Generationen aus, sondern auch in weiteren Bereichen, wie Mobilität und Kommunikation, Reisen und Freizeit oder Wissen und Bildung, die in der Ausstellung „ALL.täglich!“ vorgestellt werden.
Die Ausstellung „ALL.täglich!“ wurde als Teil der Initiative INNOspace der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK, vormals Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), konzipiert. Vom 10. April bis zum 31. August 2025 ist sie im Technik-Museum Kassel zu sehen.
Quellen:
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR (Hrsg.): Ausstellungskatalog INNOspaceExpo. 2022.
Ganse, Bergita; Ganse, Urs: Das kleine Handbuch für angehende Raumfahrer. Raketen, Hyper-G und Shrimpscocktail. 2017.
Ausstellungsüberblick © Andreas Fischer
Hier finden Sie eine verlinkte Auflistung unserer seit Oktober 2020 vorgestellten Objekte des Monats.