AEG-Druckgas-Leistungsschalter für 72,5 kV mit SF6
AEG-Druckgas-Leistungsschalter S1 für 72,5 kV mit SF6 als Isolier- und Löschmittel aus dem 60-/10-kV-Umspannwerk Rothenditmold der Städtische Werke Netz + Service GmbH im TMK hinter dem Transrapid
Wie der an letzter Stelle im Teilgebiet Hochspannungstechnik beschriebene "AEG-Freistrahlschalter" Typ HP2 ist auch dieser links/oben abgebildete Leistungsschalter Typ S1 in der AEG-Hochspannungsschaltgerätefabrik Kassel in der Lilienthalstraße in Bettenhausen entwickelt und gefertigt worden. Er war viele Jahre im Umspannwerk Rothenditmold der Städtische Werke Netz + Service GmbH eingesetzt und wurde – wie der HP2 – wegen der Umstellung auf ein innerstädtisches 110-kV-Hochspannungs-Verteilnetz durch eine neuzeitlichere Schaltanlage ersetzt.
SF6 (Schwefelhexafluorid) wurde 1937 erstmalig als Isoliermittel für Hochspannungskabel eingesetzt und schon 1938 erhielt die AEG ein Patent über die Verwendung von SF6 als Löschmittel. SF6 hat eine ungefähr dreimal höhere elektrische Festigkeit als Luft unter sonst gleichen Bedingungen. Wegen seiner guten thermischen Eigenschaften und seiner niedrigen Ionisationstemperatur hat es auch hervorragende Löscheigenschaften für elektrische Lichtbögen. In reinem Zustand ist es ein farbloses, ungiftiges und nicht brennbares Gas.
Bis zur Anwendung als Isolier- und Löschmittel in einem Hochspannungs-Leistungsschalter dauerte es jedoch noch bis 1957. Dieser damalige Schalter wurde als Zweidruckschalter ausgeführt, d.h. SF6 mit 14 bar als Löschmittel und mit 3 bar als Isoliermittel. Der Löschdruck wurde stationär in einem Hochdruckbehälter, der mit einem Zwischenspeicher in der Nähe der Schaltstrecke verbunden war, bereitgehalten. Zur Stromunterbrechung wurde das Hochdruckgas über ein Blasventil vom Zwischenspeicher in die Löschkammer geblasen, im Niederdruckteil aufgefangen und in den Hochdruckbehälter zurückgepumpt. Nachteilig war, dass sich das SF6 bei dem erforderlichen Löschdruck von ca. 15 bar bereits bei Temperaturen oberhalb des Gefrierpunktes verflüssigte. Daher musste der Hochdruckbehälter entsprechend beheizt werden. Auf Grund der Komplexität und der hohen Kosten wurde dieser Typ bereits einige Jahre später durch die technisch einfacheren und kostengünstigeren SF6-Schalter der 2. Generation ersetzt.
SF6-Schalter der 2. Generation, wie der im TMK ausgestellte und nur für den Antrieb druckluftbetätigte Schalter des Typs S1 arbeiteten nach dem Eindruckprinzip, bei dem der zur Lichtbogenlöschungerforderliche Löschdruck in einer Pumpe bei der Ausschaltbewegung erzeugt wurde. Diese Pumpe wurde, wie im Bild rechts/oben dargestellt, durch den Kompressionszylinder 5 und den feststehenden Kolben 6 gebildet. Beim Ausschalten des Stromes wurde der bewegliche Kompressionszylinder 5 gegen den feststehenden Kolben 6 bewegt und erzeugte so den erforderlichen Löschdruck. Nach der Kontakttrennung entstand zwischen dem feststehenden Lichtbogenkontakt 1 und dem beweglichen Lichtbogenkontakt 2 der Schaltlichtbogen. Dieser wurde durch das in der Pumpe (5 u. 6) komprimierte Löschgas gekühlt. Im Bereich des Stromnulldurchgangs des Wechselstroms entionisierte das mit hoher Geschwindigkeit durch die Düse strömende Löschgas die Schaltstrecke, so dass die Spannungsfestigkeit zwischen den Lichtbogenkontakten immer höher war als die wiederkehrende Spannung: Der Strom wurde unterbrochen, der Schalter hatte ausgeschaltet. Unabhängig von der Höhe des auszuschalten Stroms wurde der Antrieb jedes Mal mit der vollen Energie zum Bewegen der Schalt-kontakte und zur Löschdruckerzeugung in der Pumpe beansprucht. Schalter dieser Art hatten daher aufwendige, kräftige Antriebe mit zum Teil hoch beanspruchten Bauteilen. Durch ihre relativ großen Reaktionskräfte erforderten sie entsprechend aufwendige Fundamente. Dies führte zur Entwicklung der 3. Generation und der "Double-Motion"-Technologie. Im Rahmen diese Internetpräsentation würde eine Beschreibung zu weit führen.
Text u. Bild: Wolfgang Dünkel, TMK
Quellen: auszugsweise Wiedergabe aus den Vereinszeitschriften 1- u. 2-2018 "technik nordhessen" der techn.-wissenschaftl. Vereine (u. a. VDE Kassel und TMK, gleicher Mitverfasser), AEG Sonderdruck zur Vorstellung "Preßluftschalter" (Berlin, 1929), AEG Mitteilungen, 47. Jahrgang, Hochspannungs-Schaltgeräte (Berlin, 7/8-1957), AEG Mitteilungen, 51. Jahrgang, Hochspannungs-Schaltgeräte u. Anlagen (Berlin, 9/10-1961), AEG Mitteilungen, 57. Jahrgang, 40 Jahre Druckgasschaltertechnik (Berlin, 7-1967)
(last update 06.03.2021)