Mittelspannungstechnik

In dieser Bildmontage sind drei Löschprinzipien für den beim Ausschalten entstehenden Lichtbogen dargestellt: Ausblasen mit Druckluft beim AEG-Druckluft-Schalter CP 2/3 links, Energieentzug durch verdampfendes Öl und Beblasung mit diesem Dampf beim Ölarmen Strömungsschalter mittig und Verlöschung des Lichtbogens durch nacheilendes Schaltmesser in Löschkammer mit Hartgasentstehung beim Lastrennschalter rechts

Dieses Teilgebiet der Elektrischen Energietechnik ist mit deutlich mehr Exponaten in unserem Museum vertreten, obwohl – und jetzt im Gegensatz zur Aussage bei der Hochspannungstechnik – bei der AEG in Kassel nur eine begrenzte Zeit Mittelspannungs-Leistungschalter entwickelt und gebaut wurden. Die größere Anzahl dieser Schalter liegt sowohl in deren unterschiedlichen Löschprinzipien des bei der Ausschaltung entstehenden Lichtbogens wie auch in der Häufigkeit ihrer Verwendung bei Energie-Versorgungs-Unternehmen (EVU) und Industrie. Als Mittelspannungs-Schaltgeräte werden üblicherweise die Geräte bezeichnet, die Bemessungs-Spannungen von 12.000 bis 36.000 Volt (10 - 36 kV) aufweisen und damit in Netzen mit 10, 20 und 30 kV betrieben werden. Es gibt aber auch in unserer Region nach wie vor 6,3 kV bei VW in Kassel und früher 5,25 kV bei Henschel. Trotz der Bezeichnung Mittelspannung gilt auch hier die Definition des VDE in dessen DIN-VDE-Normen, denn dort beginnt die Hochspannung bereits bei 1.000 Volt = 1 kV.

Während die drei im TMK vorhandenen Schalter in der Hochspannungstechnik, alle bei AEG in Kassel entwickelt und gebaut, Leistungsschalter sind, also auch die hohen und höchsten Kurzschlussströme bei Blitzeinschlägen und Anlagenfehlern ausschalten können, ist dies bei den im TMK vorhandenen Mittelspannungsschaltern nicht bei allen der Fall. Es muss unterschieden werden in Trennschalter, Lasttrennschalter und Leistungsschalter:

  • Trennschalter haben ausschließlich die Aufgabe, spannungführende Anlagenteile durch eine sichtbare Trennstrecke von nicht spannungführenden Anlagenteilen unter Einhaltung von Verriegelungsbedingungen abzutrennen, um so ein gefahrloses Arbeiten an letzteren zu ermöglichen.
  • Lasttrennschalter können betriebsmäßige Lastströme ein- und ausschalten, also z. B. Transformatoren unter Last oder im Leerlauf, Kabel unter Last oder im Leerlauf, ebenso Motoren sowohl zum Anlauf bei korrekter Auslegung wie auch bei deren Ausschaltung.
  • Leistungsschalter können sowohl die betriebsmäßigen Schaltungen übernehmen wie auch die Abschaltung der hohen Kurzschlussströme.

Alle drei Schalterarten können wir bei uns im Museum erklären und zum Teil auch vorführen. Wie sind sie entstanden und was führte zu ihrer Weiterentwicklung? Ausführlich können wir Ihnen das bei Interesse im Museum anhand der Elektrifizierung Deutschlands erklären, denn erst im Gespräch bei Führungen und Vorträgen wird manches verständlich und Romane wollen wir hier nicht schreiben. Aber so viel sei gesagt:

  • Mittelspannungsschalter und daraus folgend auch Hochspannungsschalter sind bei stetig steigender Erzeugung und Verbrauch elektrischen Stroms aus der Niederspannungstechnik entstanden, und zwar zunächst durch Vergrößerung der Abmessungen. Begonnen hat alles sowohl in den USA wie auch bei uns in Europa mit Gleichstromnetzen bei +/- 110 Volt gegen Erde. Erst die Wechselspannungstechnik (1. Kasseler Kraftwerk 1891 in der Neuen Mühle mit der Erzeugung von 2.200 Volt bei 70 Hertz (Hz) und danach folgend die Drehstromtechnik benötigten Hebelschalter mit größeren Abmessungen, keineswegs aber schon Leistungsschalt-, zunächst auch kein Lastschaltvermögen wie oben erläutert. Lasttrennschalter werden nach wie vor im Mittelspannungsbereich, z. B. als Trafoschalter, eingesetzt, den Kurzschlussschutz übernehmen dabei vor- oder nachgeschaltete strombegrenzende "Hochspannungs"-Hochleistungs-Sicherungen, hier im Museum mehrfach ausgestellt. 
  • Mit dem Siegeszug des Drehstroms und damit größer werdenden Strömen und Spannungen verwendete man Ölschalter mit der hervorragender Isolierung des Öls in einem metallischen Gefäß. Beim Ausschalten betrieblicher Ströme entstand ein Lichtbogen und der entstehende Öldampf entzog dem Lichtbogen soviel Energie, dass er bei entsprechender Länge beim Nulldurchgang des Wechselstroms verlosch. Unser Siemens-Öl(kessel-)schalter, gebaut um 1900 und ehemals eingesetzt im "Elektrizitätswerk Wanfried von Scharfenberg GmbH" an der Werra ist hierfür ein Beispiel und wird im letzten Einzelartikel weiter unten beschrieben.
  • Schon kurz vor 1900 wurde durch den Vorschlag von Ch. L. Brown, dem späteren Mitgründer der BBC, beim Ausschaltvorgang eine Ölströmung auf den Lichtbogen gerichtet, damit die Löschwirkung auf den Lichtbogen verstärkt (nicht in unserem Exponat vorhanden) und die Ausschaltleistung im Kurzschlussfall deutlich erhöht. Dies führte bei Spannungen von zunächst bis zu 50 kV, danach bis zu 100 kV in Form der Dreikesselschalter ab 1912 zum Einsatz einer Löschkammer in den Ölkesselschaltern und später durch Einsatz von Isoliermaterialien anstelle des metallischen Kessels zu Entwicklung und Bau der Ölarmen Strömungsschalter – später nur noch im Mittelspannungsbereich verwendet – und hier im Museum in mehrfacher Form vorhanden. Zum Explosions- und Brandproblem der Ölkesselschalter, auch mit Löschkammer, bei Spannungen bis 220 kV und Ölmengen von 60 t siehe Hochspannungstechnik.
  • Dieses Explosions- und Brandproblem führte bei der AEG in Berlin ab 1926 zur Entwicklung und der Produktion von so 1929 vorgestellten "Preßluftschaltern", die heute allgemein Druckgasschalter genannt werden. Unser "Preßluftschalter" aus Berliner Entwicklung, aber Fertigung ab 1948 in Kassel ist der oben in der Bildmontage abgebildete CP 2/3, der in einem Einzelartikel weiter unten beschrieben wird. Anstelle der Luft wird heute im Hochspannungsbereich das ungiftige Schwefelhexafluorid (SF6) verwendet. Im Mittelspannungsbereich haben sich Vakuumschalter als Leistungsschalter durchgesetzt, von denen wir leider kein Exemplar besitzen, und die mittlerweile auch den Hochspannungsbereich bis 150 kV erobern.

Text und Bilder: Wolfgang Dünkel, TMK

Quellen: auszugsweise Wiedergabe aus den Vereinszeitschriften 1- u. 2-2018 "technik nordhessen" der techn.-wissenschaftl. Vereine (u. a. VDE Kassel und TMK, gleicher Mitverfasser), AEG Sonderdruck zur Vorstellung "Preßluftschalter" (Berlin, 1929), AEG Mitteilungen, 47. Jahrgang, Hochspannungs-Schaltgeräte (Berlin, 7/8-1957), AEG Mitteilungen, 51. Jahrgang, Hochspannungs-Schaltgeräte u. Anlagen (Berlin, 9/10-1961), AEG Mitteilungen, 57. Jahrgang, 40 Jahre Druckgasschaltertechnik (Berlin, 7-1967)

(last update 07.03.2021)

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