Stromerzeugung in der "Wilhelmsmühle" von 1893 bis zum Abbau 1987

Blatt 1 aus der Sicherstellungs- und Verleihungsurkunde des Regierungsbezirks Kassel im Land Preußen des Deutschen Reichs vom 18. Mai 1934 (s. links bzw. oben, Quelle *1)

Gern würden wir hier ein Bild der seit Jahrzehnten nicht mehr existenten "Wilhelmsmühle" präsentieren, am südlichen Ortsausgang von Züschen und "Oberen Stauweiher" an der den Ort durchfließenden nordhessischen "Elbe" gelegen. Alle Bemühungen waren bisher vergeblich, wozu sicherlich auch – nicht nur aus Sicht der Ortsbewohner – die hessische Gebietsreform in der Zeit von 1969 – 1979 beigetragen hat. Züschen, zur Zeit der Erstellung der Stromversorgungsanlage "Wilhelmsmühle" für das Rittergut und die Garvensburg mit Stadtrechten dem Fürstentum Waldeck zugehörig, wurde aus dem nach 1945 entstandenen Landkreis Waldeck herausgelöst und als Ortsteil der Stadt Fritzlar im Schwalm-Eder-Kreis zugeordnet.

Für diese hoch umstrittene Gebietsreform gab es sicherlich auch gewichtige Gründe, denn nicht nur wirtschaftlich sich tragende Orte mit kompetenten Verwaltungen sollten entstehen (... mittels größerer Verwaltungseinheiten leistungsfähigere Gemeinden und Landkreise ..., Quelle *2). Auch die räumliche Zuordnung und die Entfernung von Verwaltungen spielten eine Rolle, denn Züschen war der einzige Ort des Landkr. Waldeck an der Elbe nach deren Verlassen des Landkr. Kassel, bis zum 01.08.1972 noch Landkr. Wolfhagen. Es gab zweifellos Missstimmung im Ort, der dem Autor von älteren Mitbürgern bei seinen örtlichen Recherchen zur Stromerzeugung in der "Wilhelmsmühle" auch bestätigt wurde. In der Stadtverwaltung Fritzlars war zur ehemaligen "Wilhelmsmühle" nichts aufzufinden und der Verkehrsverein Züschen hatte sich zwischenzeitlich aufgelöst. Auch weitere Rückfragen im Ort blieben ergebnislos. Daher blieb uns nach erhaltenen Hinweisen nichts anderes übrig, als auf Dokumente aus dem Hessischen Staatsarchiv in Marburg zurückzugreifen.

In Züschen existierten mit der Mahlmühle Leithäuser und der Mahl- und Schneidemühle Schmalz (sog. Ober-Mühle) zwei Wasserableitungen aus der Elbe oberhalb Züschens. Auf Antrag von Wilhelm Garvens und der Bewilligung des Fürstentums Waldeck kamen 1893 mit der "Wilhelmsmühle" und 1907/08 der "Turbinenanlage am unteren Stauweiher" zwei weitere hinzu. Vermutlich waren aber durch die politischen Umwälzungen von der Zeit des Fürstentums Waldeck bis hin zum Deutschen Reich in 1930 behördliche Akten zu Wasserrechten für die Turbinenanlagen und sonstigen Wassernutzung entweder nicht mehr auffindbar oder sogar verloren gegangen und der seinerzeitige Bauherr Wilhelm von Garvens-Garvensburg war 1913 verstorben.

Sein ältester Sohn Wolfgang stellte daher am 12. August 1930 an den Bezirksausschuss Kassel als Vorgänger des Regierungspräsidiums Kassel (RP Kassel) im Land Preußen den Antrag auf Sicherstellung bzw. Verleihung der Wasserrechte zum Turbinenbetrieb der "Wilhelmsmühle" (am oberen Stauweiher) und der "Turbinenanlage am unteren Stauweiher" an der Elbe in Züschen, Kreis der Eder, (s. rechts bzw. oben aus drei Ausschnitten zahlreicher Seiten der Anlage 1 vom Autor nur zur Dokumentation montierte Darstellung, Quelle *1). Dem Antrag wurde am 18. Mai 1934 mit dem Begriff "Sicherstellung und Verleihungsurkunde" zugestimmt. Die weiterhin geltenden Wasserrechte bestätigte der seinerzeit im RP Kassel hierfür zuständige Regierungsbeamte Dr. Fritz Hoch, älteren Mitbürgern wie dem Autor noch als erster nordhessischer  Regierungspräsident nach 1945 bekannt.

Unten das Blatt 2 der Antrags- und Genehmigungsunterlagen mit der Darstellung des Flussverlaufs nach dem südlichen Ortsende (Quelle *1). Nach dem Abbau der energietechnischen Komponenten der ehemaligen "Wilhelmsmühle" hat sich dort eine Schreinerei angesiedelt. Zu beachten ist die Verschwenkung des 1930 erstellten Übersichtsplans um etwa 60° gegen den Uhrzeigersinn. Im Original ist dieser Plan vermutlich etwas über 200 cm breit.

Die "Wilhelmsmühle" in dem rot gekennzeichneten Gebäude lag am südöstlichen Ende des Zulaufkanals aus dem "Oberen Stauweiher" und unmittelbar neben der Straße von Züschen nach Geismar (Nordpfeil links unterhalb des Stauweihers, Quelle *2). Die "Elbe" mäandert durch das Tal, verlässt nach dem "Unteren Stauweiher" die Gemarkung Züschen und tritt in die Gemarkung Geismar ein, ebenfalls Ortsteil von Fritzlar.

In obigem Übersichtsplan ist zu erkennen, dass nach Verlassen der bebauten Ortslage Züschens von der "Elbe" ein Zulaufkanal zur "Wilhelmsmühle" mit der üblichen Bezeichnung "Mühlgraben" abgezweigt wurde. Flutschütze für eine Hochwassersituation schützten den Ort, ein Wasserüberfall ließ die "Elbe" nicht trockenfallen (Fischbesatz, Vegetation) und ein stets zu reinigender Rechen verhinderte den Zulauf von Gehölz, abgerissenen Pflanzen und Unrat. Der erhaltene Schriftverkehr des RP Kassel mit der Rittergutsverwaltung sagt Einiges hierzu aus. Rechts im Übersichtsplan ist der "Untere Stauweiher" eingezeichnet. Im Gegensatz zum "Oberen Stauweiher" durchläuft die Elbe diesen Weiher ohne ein eigenes Flussbett. Am Auslauf war ab 1907/08 eine weitere Turbinenanlage mit 12 kVA elektrischer Leistung eingerichtet, die den Sägebetrieb der "Wilhelmsmühle" über eine – im Plan rot eingetragene  Leitung versorgte. "Schloss Garvensburg" und "Rittergut Züschen" erforderten vermutlich immer mehr Leistung, welche die "Wilhelmsmühle" nicht an den Sägebetrieb abtreten konnte, was aber aus den Genehmigungsunterlagen auch nicht zweifelsfrei zu entnehmen war. Da keinerlei Exponate aus dieser "Turbinenanlage am unteren Stauweiher" erhalten blieben, veröffentlichen wir auch keine weiteren Details, können aber bei einer bestellten Führung anhand aus dem Staatsarchiv erhaltener Unterlagen hierauf detaillierter eingehen.

               

Die links bzw. oben abgebildete Henschel-Jonval-Turbine, Bauart Henschel, wurde 1840 bei Henschel und Sohn im damaligen "Cassel" für eine Steinschleiferei in Holzminden hergestellt und ist heute im Deutschen Museum München ausgestellt 

Die "Wilhelmsmühle" war ab 1893 zunächst mit einer liegenden Knop-Turbine des seinerzeit sehr erfahrenen Konstrukteurs Werner G. J. Knop ausgestattet. Er trat 1875 in die Firma Briegleb, Hansen & Co. in Gotha ein und entwickelte seine Turbine in unterschiedlichen Bauweisen. Die Knop-Turbine beruhte auf der ersten lauffähigen Turbine von Benoît Fourneyron aus Frankreich und wurde nach den Optimierungen von Carl Anton Henschel und dem Franzosen Nicolas J. Jonval als "Henschel-Jonval-Turbine" bezeichnet. Henschel hatte diese 1837 in "Cassel" entwickelt, 1840 in Holzminden in einer Steinschleiferei sowie 1841 in Braunschweig in einem Steinbearbeitungsbetrieb eingesetzt, erhielt jedoch vom Kurfürsten kein Patent darauf. Jonval sah sie dort und erhielt 1843 in Frankreich ein Patent. "Die "Henschel-Jonval-Turbine" ist eine Überdruckturbine. Das Wasser durchströmt die Turbine von oben nach unten, wobei die fest über dem Laufrad angeordneten gekrümmten Leitschaufeln das Wasser seitlich umlenken, so dass es auf die gegenläufig gekrümmten Schaufeln des Laufrades trifft. Die wichtigste Neuerung war das unterhalb der Turbine angeordnete Saugrohr, das als Diffusor wirkt. Durch diese Anordnung ließ sich erstmals die gesamte Fallhöhe nutzen, auch wenn die Turbine über dem Unterwasserspiegel angeordnet war. Die Regelung der Turbine erfolgte über das Abdecken der Leitschaufeln, so dass das Laufrad nur teilweise beaufschlagt wird" (Zitat und Bild *3).

Die obige Zeichnung zeigt die Turbinenanlage der Wilhelmsmühle in den Jahren 1893 – 1907 mit einer geschlossenen Knop-Turbine des Gothaer Unternehmens Briegleb, Hansen & Co. (Quelle *1). Zwar ist wie in der untersten Zeichnung zum Umbau in 1907 nichts von einer Stromerzeugung dargestellt, aber diese ist in den Antrags- und Genehmigungsunterlagen mit Wirkung ab 1893 beschrieben. Dargestellt ist hingegen der Sägebetrieb mit einem Flachriementrieb von der horizontal angeordneten Vorgelegewelle in der Zwischenebene zur obersten Ebene

Knop erhielt auf seine erneute Weiterentwicklung 1894 den Patentschutz, also drei Jahre nach der Installation von vier Turbinen in offener Bauweise in der "Neue Mühle" im damaligen "Cassel" und ein Jahr nach dem Aufbau in geschlossener Bauweise in der Züschener "Wilhelmsmühle". Es handelte sich dort – bestätigt durch die "Anlage 1, Abschnitt 8" der Genehmigungsunterlagen des RP Kassel – bei dieser "Alten Turbine" (siehe oben die ausschnittweise Abbildung der Antrags- bzw. Genehmigungsunterlagen) um die von Briegleb, Hansen & Co. in Gotha hergestellte "Knop-Turbine". Im oben rechts dargestellten Schnitt "c – d"  ist links unten der geschlossene Wasserkasten der Turbine zu erkennen, der das Oberwasser über Rechen, Fallrohr und ein horizontal verlaufendes Zulaufrohr zur Turbine aufnimmt sowie eine Verstellung der Zulaufmenge über ein Leitrad ermöglicht, auch links oben im Schnitt "a – b" und rechts oben im Schnitt "c – d" durch die Bedienung von der Arbeitsebene am Sägegatter erkennbar. 

Der obigen Zeichnung ist wegen ihrer ausschließlich wasserrechtlichen Bedeutung keinerlei Hinweis auf eine Stromerzeugung in der "Wilhelmsmühle" zu entnehmen. Dennoch hat es diese gegeben, was auch die Anlagen zu den Antrags- und Genehmigungsunterlagen des RP Kassel mit Leistungs- und Spannungsangaben bestätigen. Ein erster, jedoch nicht erhärtbarer Verdacht über den Einbauort kam während der Recherchen des Autors bei den rechts wie links abgeschnittenen Darstellungen des Gebäudes und der horizontalen Abtriebswelle nach der Kegelradübersetzung von der vertikalen Turbinenwelle auf. Dieser Verdacht wurde zur Gewissheit nach einer – nicht im Marburger Staatsarchiv aufbewahrten – "Project"-Zeichnung vom 7. August 1906, gefunden bei der heutigen Hessen Kassel Heritage (HKH). Sie wurde zunächst fotografiert und zeigt unten das Gebäude in Breiten- und Seitenschnitt sowie im Grundriss. Realisiert wurde dieses Projekt nie, denn dann wären auch Antrags- und Genehmigungsunterlagen wegen der wasserrechtlichen Bedeutung vorhanden. Mit 0,63 m3/s hätte diese zweiflutige Turbine ein höheres als das für die erste Turbine genehmigte Schluckvermögen von 0,565 m3/s gehabt.

Das nicht realisierte "Project zum Umbau der Turbinenanlage des Rittergutes Züschen für Herrn W. Garvens, Hannover" vom 7. August 1906 (Quelle *4) zeigt – für uns im TMK erstmals – nach den Unterlagen aus Marburg das gesamte Gebäude und wohin die Abtriebswelle der hier angekuppelten Turbine rechts hinführt: In ein in der Höhe gestuftes Zwischengeschoss mit der Aufstellung zweier nicht benannter Maschinen, höchstwahrscheinlich also Gleichstrom-Dynamos und/oder Drehstrom-Generatoren. Weiter zeigt sie bei entsprechender Vergrößerung einen großen "Accumulatoren-Raum" , ein "Gleichstromschaltbrett"  an der Außenwand unten und ein "Wechselstromschaltbrett" an der Wand zwischen dem vermutlichen Dynamo-/Generator-Raum und dem "Accumulatoren-Raum" . An Riemenscheiben-Durchmessern auf Vorgelegewelle und angetriebenen Maschinen lässt sich eine Übersetzung von etwa 1 : 3 ins Schnelle abschätzen. Da die Turbine mit 258 U/min angegeben ist ergäbe sich damit eine Maschinendrehzahl von ca. 750 U/min, die zum hier ausgestellten Drehstrom-Generator mit vermutlich spätestem Fertigungszeitpunkt März 1903 vor der Vereinigung der Nürnberger "E-AG" mit Siemens & Halske in Berlin passt (s. Artikel "Der Drehstrom-Generator der »Wilhelmsmühle« in Züschen).

Da der von der AEG mit M. O. v. Dolivo-Dobrowolsky entwickelte dreiphasig-verkettete Wechselstrom, vom Erfinder "Drehstrom" genannt, erstmals auf der IEA 1891 in Frankfurt vorgestellt wurde und anfangs sogar der Name abgelehnt wurde, ist davon auszugehen, dass weder die "E-AG" noch Siemens & Halske, beide zunächst ausgesprochene Gleichstrom-Verfechter und mit Werner v. Siemens sogar strikter Wechselstrom-Ablehner, schon früh auf den Drehstrom setzten. Die "E-AG" war aber ein Stück weit fortschrittlicher als Siemens und erstellte 1896 die erste Wechselstromanlage Bayerns mit dem Kraftwerk Tullnau in Nürnberg und laut einem Wikipedia-Artikel bereits 1895 das älteste Drehstromkraftwerk Stallegg in der Wutachschlucht. Der Autor aller Artikel zur "Wilhelmsmühle" in Züschen hat zum zweitgenannten Wikipedia-Artikel, dem "Drehstromkraftwerk Stallegg", leichte Zweifel: Haselwander hatte zwar ein geschlossenes Drehstromsystem mit Synchron-Generator und kostenaufwendigem Synchron-Motor entwickelt, aber hierauf nie ein Patent erlangt. Und die im dortigen Internetartikel, Abschnitt Geschichte zur IEA 1891 in Frankfurt erwähnte Drehstromübertragung über 176 km beruhte auf der Realisierung durch AEG mit selbstständig anlauffähigen Motoren und Transformatoren sowie durch Oerlikon mit Generator und Transformatoren, hatte also mit Haselwander nichts zu tun. Es könnte es sich also mit der WKA Stallegg zunächst auch um ein Wechselstromkraftwerk gehandelt haben, erst später auf Drehstrom umgerüstet. Aus den beiden Fotos des schlanken Generators ist weder die eine noch die andere Technik sicher zu erkennen, Lokalpatriotismus könnte für die Aussagen daher die Triebfeder sein, auch weil Haselwander durch die von der AEG aufgekaufte Lahmeyer AG als deren Mitarbeiter nicht gerade fair behandelt wurde.

Trotz aller umfangreichen und zeitaufwendigen Recherchen zur WKA "Wilhelmsmühle" bleiben beim Autor zwar keine Zweifel an den bisherigen und den weiteren Aussagen in allen Artikeln. Dennoch sind nicht alle Aussagen mit vorhandenen Unterlagen beweisbar, sondern spiegeln sich auch an der bekannten Geschichte der Elektrizitätsversorgung ab etwa 1880. Bei der Bergung der Anlagenteile in 1987 hätte noch eine gewisse Chance auf Recherchen mit belegbaren Ergebnissen bestanden. Zwischenzeitlich sind jedoch fast 40 weitere Jahre vergangen, zwischen der Zeit um 1900 und heute liegen also fast fünf Generationen und epochale Entwicklungen in der Maschinen- und Elektrotechnik.

Unter Berücksichtigung dieser Aussage ist davon auszugehen, dass in der "Wilhelmsmühle" ab 1893 zunächst ein Gleichstrom-Dynamo die elektrische Energie erzeugte, welche in dem großen "Accumulatoren-Raum" auch gespeichert wurde. Die Verluste auf der Freileitung zwischen "Wilhelmsmühle" und "Rittergut Züschen" bei nur 120 125 Volt am Dynamo-Standort und 110 V im Rittergut und Schloss zwangen bei steigendem Energiebedarf zur Umrüstung: Schon an der Knop-Turbine aus 1893 wurde Drehstrom erzeugt und ins Rittergut geleitet, die beiden Akkumulator-Anlagen wurden ins Verwaltergebäude des Ritterguts versetzt und ein Drehstrom-/Gleichstrom-Umformersatz kam dort hinzu. Vermutlich geschah dies für den leistungsaufwendigeren Dresch- und Molkereibetrieb mit Drehstromantrieb sowie den Umformersatz ab 1898, spätestens jedoch ab 1903. Und dies sicher auch durch die Nürnberger "E-AG" mit unserem TMK-Exponaten Drehstrom Generator und Schleifringläufer-Motor für den Umformersatz. Der steigende Leistungsbedarf, vielleicht auch der Verschleiß an der Knop-Turbine aus 1893 mit ihren Vorgelegen, zwang zu einem Turbinenaustausch, welcher, verbunden mit der Neuanlage der "Turbinenanlage am unteren Stauweiher" (s. Übersichtsplan oben) und der Vergrößerung des oberen Stauweihers vor der "Wilhelmsmühle" in 1907/08 erfolgte.

Die obige Zeichnung zeigt die Turbinenanlage der Wilhelmsmühle ab dem Jahr 1907/08 mit der nicht erhalten gebliebenen Francis-Turbine des wahrscheinlichen Herstellers Briegleb, Hansen & Co. aus Gotha (Quelle *1). Die Turbine hatte jetzt eine horizontal liegende Welle, was die 90°-Umlenkung über Kegelräder ersparte, aber einen Flachriementrieb zur Vorgelegewelle auf der etwas höher gelegenen Zwischenebene erforderte (weitere Details hierzu im Artikel "Die Francis-Turbine der »Wilhelmsmühle« in Züschen)

Neben weiteren aus dem Staatsarchiv Marburg erhaltenen Unterlagen, zu denen die

  • "Turbinenanlage am unteren Stauweiher",
  • die Längs- und Querprofile des Flusses Elbe zwischen oberem und unterem Stauweiher,
  • die Flussbauwerke am oberen und unteren Stauweiher sowie die Flussbrücke am unteren Stauweiher gehören 

und die wir evtl. teilweise neben den Exponaten ausstellen werden, liegt uns außer den schriftlichen Antrags- und Genehmigungsunterlagen aus 1930 – 1934 nur noch Schriftverkehr nach 1960 vor. Der ist schnell erzählt, denn es ging im Wesentlichen um Hochwasserprobleme wegen der Bauwerke in und an der Elbe und letztlich um Fragen der Stilllegung und Löschung der Wasserrechte. Stillgelegt wurden die "Turbinenanlage am unteren Stauweiher" bereits vor 1960 und die "Wilhelmsmühle" in 1962.

Für unsere heutigen TMK-Exponate ging es in 1987 weiter, als die Anlagenkomponenten in der stillgelegten "Wilhelmsmühle" und im "Rittergut Züschen" in den Fokus  der damaligen Staatlichen Kunstsammlungen Kassel (heute Hessen Kassel Heritage) gelangten: Im Gebäude der wiederaufgebauten "Orangerie" der nach Landgraf Karl benannten "Karlsaue" sollte eine naturwissenschaftlich-technische Sammlung eingerichtet werden, parallel und/oder ergänzend zu den seit Landgraf Wilhelm IV begonnenen Sammlungen zu Instrumenten für Erd- und Himmelsbeobachtungen von absoluter Weltgeltung. Der Autor dieses Artikels erinnert sich mit großer Freude, als 11-Jähriger vom damaligen Oberkustos der Sammlung, dem Technikhistoriker Paul Adolf Kirchvogel, in die Rotunde des Hessischen Landesmuseums am Brüder-Grimm-Platz nach der erfolgten Wiederöffnung in 1953 geführt worden zu sein. Wahrscheinlich war dies ein wichtiger Baustein der zwei, drei Jahre später erfolgten Berufsentscheidung, nämlich zunächst den Naturwissenschaften in der Albert-Schweitzer-Schule treu zu bleiben und ab 1959 – passend zur Naturwissenschaft Physik – mit der Elektrotechnik zunächst eine solide Ausbildung zum Elektromaschinenbauer und ab 1962 das Studium der Ingenieurwissenschaften in der Elektrotechnik zu wählen.

Paul Adolf Kirchvogels Nachfolger, der 1975 nach Kassel gekommene Technikhistoriker Ludolf v. Mackensen – und wie der Autor dieser TMK-Artikel zur Stromerzeugung in Züschen auch einer der Mitgründer des TMK-Trägervereins – baute ab 1992 in der "Orangerie" das "Museum für Astronomie und Technikgeschichte" auf und hatte im Vorfeld bereits Exponate gesammelt, u.a. die noch erhaltenen Anlagenteile der "Wilhelmsmühle" und des "Ritterguts Züschen". Diese wurden nicht immer museumsgerecht (beispielhaft: Aufschnitte an der Fliehkraft-Drehzahlerfassung und am Stellzylinder für die Turbineneinstellung des Drehzahlreglers, Farbanstrich in der Zulaufschnecke der Francis-Turbine) aufgearbeitet und dann für etwa zehn Jahre im linken Erdgeschoss-Flügel der Orangerie präsentiert. Leider liegen uns hierzu keine technik-geschichtlichen Ermittlungen und Ausarbeitungen durch v. Mackensen vor und in seinem Buch "Die naturwissenschaftliche Sammlung in Kassel (1991 unter ISBN 3 87013 025 3 herausgegeben) hat er Hersteller und Herstellort mit der Kasseler Fa. Knop und den Herstellzeitpunkt unter Bezug auf seine Fotos 121 und 122 falsch angegeben: "Die Francis-Wasserturbine, eine Radialturbine der Kasseler Firma Knop aus dem Jahr 1907 mit circa 36 PS Leistung in der Wilhelmsmühle bei Züschen während der Bergung im Juni 1987. ....." (Zitat, Quelle *4). Es gab keine Kasseler Firma Knop, die Turbine wurde auch nicht in Kassel hergestellt. Er stellte auch nicht den Unterschied zwischen der Turbinendarstellung in dem linken bzw. obigen farbigen Teilausschnitt des "Schnitts c - d"  der weiter oben dargestellten Zeichnung "Umbau der Turbinenanlage im Jahre 1907" und dem tatsächlich geborgenen, zunächst in der Orangerie und jetzt im TMK aufgestellten Exponat fest (s. Bild unten vor der Bergung).

Das Exponat stammt nämlich aus den 1930-er Jahren und wurde von der Fa. Fürmeyer & Witte aus Mönchehof (heute Ortsteil von Espenau) nördlich von Kassel hergestellt. Bis auf die für Fliehkraft-Drehzahlregler und Francis-Turbine sehr gut ausgearbeiteten, in beiden Artikeln zu diesen Anlagenteilen wiedergegebenen Arbeiten durch den Museumsmitarbeiter Herrn Dipl.-Ing Karl-Wilhelm Schötteldreier (leider viel zu früh verstorben) lagen uns keinerlei Erkenntnisse über die Anlagenteile in "Wilhelmsmühle" und "Rittergut Züschen" vor. Das große Rätselraten begann, der Besuch im Staatsarchiv erbrachte zahlreiche sehr gute Erkenntnisse, aber erst die oben dargestellte "Project"-Zeichnung von 1906 führte zur weitestgehenden Gewissheit über die Anlagen in Züschen. So konnte die Ausarbeitung der insgesamt acht Artikel für die TMK-Internetseiten beginnen, welche zeitlich sehr arbeitsintensiv waren, aber auch Freude und Zufriedenheit über ingenieurmäßiges Arbeiten bewirkt haben. 

Zur Information detailinteressierter Besucher dieser Internetseite: Alle Pläne werden in Originalgröße an einer Wand neben den Exponaten aus der "Wilhelmsmühle" und dem "Rittergut Züschen" zugänglich gemacht, aber nicht als Datei zur Verfügung gestellt.           

Text und nicht besonders gekennz. Bilder: Wolfgang Dünkel, VDE Kassel und TMK

(last update 02.08.2025)   

Hier finden Sie eine verlinkte Auflistung unserer seit Oktober 2020 vorgestellten Objekte des Monats.           

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Grafik-, Bild- und Textquellen bzw. -zitate:

*1: Übersichtskarte, Übersichtsplan, Wilhelmsmühle 1893 – 1907, Umbau Wilhelmsmühle 1907, Hessisches Landesarchiv, Hessisches Staatsarchiv Marburg, HStAM, Best. 401,35, Nr. W1006, mit Bearbeitung aller Zeichnungen bzw. Zeichnungsausschnitte durch Wolfgang Dünkel, TMK

*2Gebietsreform in Hessen, Gebietsreform in Hessen – Wikipedia

*3: Henschel-Jonval-Turbine, Jonval-Turbine – Wikipedia,  Abbildung von Ordercrazy, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19189428

*4: "Project"-Zeichnung aus 1906, ehemals im Besitz von Hessen Kassel Heritage (früher u.a. Museumslandschaft Hessen Kassel), jetzt im Eigentum des TMK

*5: Zitat und Turbine vor Bergung, Die Naturwissenschaftlich-Technische Sammlung, Geschichte, Bedeutung und Ausstellung in der Kasseler Orangerie, Ludolf von Mackensen, Georg Wenderoth Verlag, Kassel, 1991, ISBN 3 87013 025 3, Seiten 144 – 145, Bild der Turbine für das bessere Verständnis um 180° gedreht durch Wolfgang Dünkel, TMK  

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