Operationstisch mit gynäkologischer Vorrichtung
Dabei handelt es sich eigentlich um eine Liege, bei der das Kopf- und Fußteil jeweils unterschiedlich stark geneigt eingestellt werden können. Um Patienten und Patientinnen auf dem OP-Tisch gynäkologisch und urologisch untersuchen oder operieren zu können, sind links und rechts von der Liegefläche schalenförmige Halterungen angebracht, in die die Beine gelegt werden. Die Patienten und Patientinnen liegen dann in der sogenannten Steinschnittlage. Der Operationstisch stammt aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges.
Ein identischer OP-Tisch ist auf Propaganda- und Dokumentationsbildern des SS-Hauptamtes „Haushalt und Bauten“ zu sehen, die zwischen 1940 bis 1941 im Konzentrationslager Ravensbrück aufgenommen wurden. Dies war das größte KZ für Frauen im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten. Das Propaganda-Bild vom Untersuchungsraum aus dem Krankenrevier ist gemeinsam mit dem OP-Tisch in der Wanderausstellung „… unmöglich, diesen Schrecken aufzuhalten.“ – Die medizinische Versorgung durch Häftlinge im Frauen-KZ Ravensbrück zu sehen, die bis zum 16. Juli 2023 im Technik-Museum Kassel gezeigt wird.
Bis auf die fünf Fotografien vom SS-Hauptamt ist wenig über die weitere Ausstattung der Krankenreviere mit medizinischen Gerätschaften oder die Möblierung bekannt, da die Akten zum Kriegsende systematisch vernichtet worden sind, sodass nur ein Eindruck der Untersuchungs- und Behandlungsräume vermittelt werden kann. Die Bilder stellen jedoch kein alltägliches Bild von der Ausstattung und der Nutzung dar. Zudem veränderten sich die Gebäude, die als Krankenreviere zur medizinischen Versorgung von Häftlingen genutzt wurden, im Laufe der Jahre durch diverse Erweiterungen und Veränderungen.
Im Fokus der Ausstellung steht die alltägliche medizinische und hygienische Versorgung von Häftlingen durch das zwangsrekrutierte Personal, das seit 1942 als Ärztinnen und Pflegerinnen eingesetzt wurde. Einerseits profitieren sie von ihrer Position als Funktionshäftlinge, da sich die Chancen zu überleben durch bessere Ernährung und Unterbringung erhöhten. Andererseits führte dies zu problematischen Handlungsspielräumen. Denn es fehlte auf den Revieren an Medikamenten, Verbandszeug und medizinischen Gerätschaften. Die Häftlingsärztinnen waren gezwungen, zu entscheiden, welcher Patientin sie eines der knappen Mittel verabreichten und welche Frau nicht versorgt werden konnte. Es hing also von ihnen ab, ob die Häftlinge sterben oder leben würden. Sie versuchten, an ihrer Verantwortung für die Gesundheit festzuhalten und durch ihre Arbeit zumindest einige Leben zu retten. Insgesamt konnten sie den humanitären und ärztlichen Prinzipien unter den Lagerbedingungen kaum noch folgen. Zudem wurden sie an den Selektionen beteiligt, um langfristig Arbeitsunfähige und chronisch erkrankte Personen auszusondern, die anschließend durch gezielte Vernachlässigung, in der Gaskammer oder durch die Giftspritze getötet wurden. Unter dem Diktat der SS mussten sie so Entscheidungen über Leben und Tod treffen. Ihre Tätigkeit war eine dauernde Gratwanderung zwischen den SS-Befehlen, den eigenen Überlebensinteressen und den Bedürfnissen der Kranken. Auch die Erwartungen der Mithäftlinge, dass ihr Leben durch sie gerettet oder erleichtert werden könnte, war eine schwere Last für die nur sehr begrenzt handlungsfähigen Ärztinnen und Pflegerinnen.
Die Ausstellung ist im Rahmen eines Forschungsprojektes des „Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e.V.“ (kurz AKF) in Kooperation mit der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück umgesetzt worden.
Abb. 1 (oben) und Text: Katharina Armbrecht, TMK
Abb. 2 (unten): Behandlungsraum im Krankenrevier, um 1941. Fotograf/in unbekannt, Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Foto-Nr. 1658
(last update: 31.03.2023)
Hier finden Sie eine verlinkte Auflistung unserer seit Oktober 2020 vorgestellten Objekte des Monats.